Act. Comm.

Das klingt denn doch...
Das klingt denn doch zu defaitistisch. ;)
tinius - 2. Apr, 01:29
Ja,
kaum schreibe ich einen Artikel, geht alles den Bach...
Anousch - 2. Apr, 00:17
Zumindest die letzten...
Zumindest die letzten Informationen sind nicht mehr...
tinius - 20. Mär, 01:34

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anja.odra bei web.de

Fight-Club: Broder vs. Niggemeier

Auch ein Schlagabtausch unter Medienschwergewichtlern geht häufig nicht über die Qualität von Schulhofprügeleien hinaus. So erniedrigten und beleidigten sich unlängst „Spiegel“-Autor Henryk M. Broder und „Bildblog“-Gründer Stefan Niggemeier. Anlass war ein Blog-Eintrag Niggemeiers unter dem Titel »Gehirnfasten mit Henryk M. Broder«. Hier hatte er einige sachliche, wenn auch kleinliche Fehler in zwei Broder Spiegel-Polemiken aufgespürt. Tatsächlich ging es ihm aber erneut darum, Henryk M. Broder anti-islamische Hysterie vorzuhalten. Broder hatte in dem Artikel u.a. über eine vermeintliche Unterwerfung der Zürcher Polizei unter den Islam abgelästert. Niggemeier stellte diesbezüglich einiges klar. Dass es aber Broder auf sachliche Fehler ohnehin nicht mehr ankommt, beweist seine Blog-Replik mit dem Titel »Schweinchen Schlau ermittelt«, wo er seine Fehler eher lustlos einräumte. Das wiederum ist ein Indiz dafür, worum es Broder seit langem geht: islamophobische Stimmung zu schüren.

Bereits der erste Satz seiner Replik zeigt, dass sich Henryk M. Broder nicht mehr die Mühe macht nachzudenken: «Stefan Niggemeier ist ein „Medienjournalist“. Das klingt wie „Sättigungsbeilage“ oder „Speisegaststätte“.« Broder hält den Begriff Medienjournalist also für einen Pleonasmus und nicht für eine Spezifizierung eines zugegebenermaßen lästigen Jobs. Denn Niggemeier muss ständig Fernsehgucken und «Bild» lesen und über die, die eigentlich durch Nicht-Achtung geächtet werden müssten, lange Artikel für die F.A.Z. schreiben. Anstatt Niggemeier also gezielt ausgekontert zu haben, wütete Broder völlig unkontrolliert drauflos: «Wie wir alle wissen, gibt es bis heute keinen Hinweis darauf, dass Hitler die Endlösung der Judenfrage persönlich befohlen hat. (…) Ebenso fehlt es an objektiven Quellen, die zweifelsfrei belegen, dass der Massenmord an den Armeniern wirklich stattgefunden hat und nicht von Franz Werfel imaginiert wurde. Es könnte sein, dass es sich dabei nicht um Erfindungen handelt, aber das letzte Wort in solchen Mediengeschichten müssen wir Sesselpupsern und Korinthenkackern wie Niggemeier überlassen.»

Das ist unterhalb der Gürtellinie und diese Treffer zählen nicht. Im Boxen nennt man jemanden, der unfaire Schläge setzt einen «Stinker». Und Broder stinkt nur noch rum. Kritiker nennt er «Hobby-Antisemiten, Judenreferenten und alternative Sesselpupser». Die «tageszeitung» bezeichnet er als den «Kinderstürmer aus Kreuzberg». Broder jedoch war es, der sich im August 2005 auf einem sogenannten «Pro-westlichen Heimatabend» mit Konsorten des rechten Internetforums «Politically Incorrect» herum trieb. Inzwischen hat sich Broder zwar von dieser paranoiden Verbindung distanziert; in seinem Spiegel-Beitrag «Wehe, wen der Muezzin stört» entwirft er allerdings seine Schreckens-Vision einer islamischen Weltherrschaft im Jahre 2067. Fast ist man geneigt, ihm beizupflichten: Wer will schon fünf Mal täglich den Muezzin rufen hören, wo schon die Kirchenglocken bei ungünstigem Windverhältnissen allzu laut donnern.

Während Broder also mit allen publizistischen Bandagen der Diskriminierung kämpft, ist Niggemeier in seinem Privat-Blog eher ein „Medium“, da er in die nüchternen Sachberichte nur hin und wieder Spitzen einstreut ála: «An manchen Stellen wird der vielfache Zirkelschluss so überzeugend, dass ich wetten würde, dass Broder selbst am Ende die Dinge glauben würde, die er selbst erfunden hätte.» Das echte „Bashing“ hingegen wird den Kommentaren des Blogs überlassen, wo das Brodersche Beleidigungslevel jedoch nur selten erreicht wird.
Das publizistische Gefecht verlief zu Ungunsten Broders, der zwar mehr Kraft investierte, aber auch ein richtiger Faustkampf wird eben oft im Kopf gewonnen. Broder hat eine bedauerliche Wandlung vom großmäuligen Stilisten zum ressentimentgesteuerten Ätzer durchgemacht. Statt klarer Gedanken sind es primitive Reflexe, die in beinah jedem Satz, den er schreibt, gegen ihn verwendet werden können. Seine Spezialdisziplin ist der hinkende Vergleich: «Wenn alle Menschen zur gleichen Zeit in ihre Autos steigen würden, käme der Verkehr zum totalen Stillstand.» So wetterte Broder im Tagesspiegel gegen die Demokratisierung durch das Internet, da die Teilnahme potentiell Aller an der Meinungsbildung insgesamt «doof» mache. Hier echauffierte er sich noch über das sinkende Niveau, vor kurzem indes hat er sich im «Spiegel» zum Dieter-Bohlen-Fürsprecher promoviert. Das unterbietet sogar noch das Niveau, auf das Broder ohnehin schon abgestürzt ist. Außerdem: Das Hörbuch zum Bohlen-Bestseller «Nichts als die Wahrheit» haben Doktoranden der Philosophie schon vor Jahren für irre amüsant befunden.

Es hat etwas Vergebliches. Ein älterer Mann will fortwährend provozieren und mischt doch nur Mediendreck auf. Niggemeier mischt mit, liefert aber eindeutig mehr Inhalt. Doch mindestens einen Vorwurf muss man ihm machen: Dass er nicht hart genug ins Gericht geht. Dass er sich Kontrahenten nur gekonnt auf Distanz hält. Ungefähr so wie Wladimir Klitschko seinen Weltmeistertitel kürzlich nur durch taktische Klugheit und nicht durch glanzvolle Angriffe errungen hat. Niggemeier ist im Clinch mit Broder eben nur Sieger nach Punkten, nicht durch K.O.


(Erschienen in: Jüdische Zeitung, März 2008)

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